Ein Schlager, welcher flott aus dem Radio drang, versetzte sie in gute Stimmung....
Leise summte sie vor sich hin....
Die Fahrt dauerte einige Stunden, denn sie machte wegen Viktor öfter mal Pausen.
Als sie dann in Wien ankamen, war es bereits früher Nachmittag.
Klara Moser hatte sie nicht Bescheid gegeben, so spontan war ihr Entschluß gewesen. Sie stand
nun unschlüssig vor ihrem Wagen und wußte nicht recht,
was sie tun sollte.
Unter keinen Umständen wollte sie Stefan begegnen.
Es würden in ihnen beiden viel zuviel alte Wunden aufreissen.
'Vielleicht habe ich ja Glück,'dachte sie und hob Viktor aus dem Auto, nahm ihn auf den Arm.
'Vielleicht ist Klara mit Marti im nahen Park.....'
Sie entschloß sich, mal dort hin zu gehen und Nachschau zu halten.
Es war eine weitläufige Grünanlage, alte Bäume, Rasen und mitten drinnen ein Kinderspielplatz mit Rutsche und Sandkasten.
Fröhliches Kinderlachen war zu hören.
Schon von der Ferne sah sie, daß mehrere Kinder miteinander spielten.
Sie blieb hinter ein paar Büschen verborgen stehen und lugte dazwischen durch.
Sah ihr kleines Mädchen jauchzend in der Kinderschar.
Jenes bemühte sich soeben, den Ball zu bekommen.
Dieser hüpfte aber davon und Martina und ein paar Kinder, die dann aber zurück blieben,
liefen ihm nach.
Er landete schließlich direkt vor Danielas hochhackigen Lederschuhen.
"Oh, entschuldigen sie bitte!" rief Martina Richter, hob den Spielball hoch, sah kurz zu der Dame auf, machte einen schnellen Knicks, wollte schon wieder weiterlaufen, da blieb sie überlegend stehen.
Drehte sich wieder um.
Große blauen Augen waren auf Daniela und ihren kleinen Buben gerichtet, der nun seine Ärmchen Richtung Boden streckte....er wollte zu dem Ball.
"Bist du nicht die Tante Daniela?"
Danni nickte mit Tränen in den Augen, nahm ihre Sonnebrille ab, steckte sie in ihre Tasche.
"Du bist meine Mama, nicht wahr?"
Erschrocken blickte die Mutter auf ihre Kleine.
Diese zupfte nun drängend an ihrem Rock.
"Sag' mir's, gell, es stimmt? Ich weiß das, ich weiß, daß du meine Mami bist....ich weiß es schon lange...."
Das Stimmchen erstarb etwas atemlos.
Daniela kniete sich vor ihre Tochter, ungeachtet, was mit ihrer Kleidung passierte, und umarmte das kleine Mädchen.
Klara Moser war heran gekommen.
Sie hatte die letzte kleine Szene miterlebt.
"Ja, Marti, das ist deine Mama," bestätigte sie.
"Endlich, endlich hab' ich meine Mami!" rief die Kleine begeistert.
"Alle haben eine Mama, nur ich habe nie eine gehabt!"
"Woher weißt du, daß ich sie bin?"fragte Daniela sie.
Martina zuckte etwas trotzig mit den Schultern.
"Nun?"
"Ich...ich ... hab' mal nicht schlafen können....da bin ich raus aus meinem Zimmer...und da..da hab' ich....da hab' ich die Tante Klara und den Vati gehört...sie haben von dir gesprochen...und so, wie der Papa von dir gesprochen hat, so, wie er die Frau, die meine Mama ist, beschrieben hat....und das, weißt du, was ich gespürt habe, da," sie zeigte mit einer rührende Geste ihrer kleinen Hand auf ihre Brust,"da hab' ich mir schon laaange gedacht, das kannst nur du sein, Mami!"
Wieder umarmte Danni ihre Tochter.
Viktor wußte nicht, was er machen sollte.
Er hatte sich hinter seiner Mama versteckt und guckte immer wieder neugierig vor.
"Meine kleine Maus, wie groß du wieder geworden bist seit dem letzten Mal! Ist schon lange her, gell?"
Die Kleine nickte und meinte altklug:"Viel zu lange, Mami! Bleibst du jetzt für immer da? Und wer ist das denn?" Sie zeigte auf den kleinen Buben.
"Das ist Viki, dein Halbbruder.Eigentlich heißt er Viktor, aber ich nenne ihn meist Viki."
Auf die erste Frage ging sie lieber nicht ein.
Sie holte mit einer Hand Viktor hervor.
"Viki, das ist deine Schwester, die Marti!"
Martina und er sahen sich kurz mißtrauisch an.
Dann hob Marti ihre Hand und strich kurz über Vikis Gesicht.
"Hallo Viki,"begrüßte sie den Kleineren.
Daniela richtete sich auf.
"Entschuldige bitte, Klara, daß ich dich nicht gleich begrüßt habe und hier so überfallen habe.
Aber ich hielt es nicht mehr aus, ich mußte Martina sehen."
Klara umarmte sie und meinte:"Ist ja dein Recht, Kind. Der Viktor ist schon groß geworden...als ich ihn das letzte Mal sah, war er ja beinahe noch ein Baby."
"Gib' der Tante Klara die Hand, Viky."
Dieser stand scheu und getraute sich nicht.
"Na los, sei nicht feige, komm', Viky,"forderte die Mutter ihn auf.
Schließlich gab er sein Patschhändchen und machte brav seinen Diener (Verbeugung).
Er hatte ein blaues Kapperl auf, eine blaue Wolljacke und eine graue Hose und sah
richtig nobel aus.
Tante Klara nahm ihn hoch, sah ihn genau an.
"Er sieht dir sehr ähnlich, Danni!"
"Ja, ich weiß, doch er hat auch viel von meinem Mann. So, aber nun muß ich mir wieder
die Sonnenbrille aufsetzen...wenn mich wer erkennt...dann kommen die Neugierigen schnell herbei."
Marti sah ihre Mutter fragend an.
"Ja, Marti, weißt du, ich bin sehr bekannt durch die Zeitungen, bekannt durch meinen Mann, den Baron."
"Ist...ist der Onkel Baron auch da?"
Martina umarmte ihre Mutter und hielt sie fest an ihren Schenkeln.
"Nein, der Onkel ist weit weg, er ist derzeit in Amerika, weißt du?"
"In Amerika? Was macht er denn dort? Wo ist Amerika?"
Geduldig lächelnd beantwortete Danni die Fragen ihrer Tochter.
Sie hatte ein paar Papiersäcke mit.
"Was hast du denn da, Mami?"
"Das gehört alles dir, mein Schatz, das habe ich dir mitgebracht."
"Uih, Mami, danke, danke....."
Alles wollte sie gleich auspacken vor Freude.
"Wir setzen uns dort auf die Bank, schau', da kannst du dir dann alles
genau ansehen, mein Schatz."
Die junge Mutter freute sich über die Begeisterung der Tochter.
Klara Moser sah sie an und dachte bei sich:'Schlimm, daß einige Zeitungen meinten, Daniela von Sanders sei besitzheischend und erfolgssüchtig. Wie sehr man ihr doch Unrecht tat. Und besonders schlimm, daß auch Stefan sich in diese Gedankenwelt verrannt hat.'
"Du kommst selbstverständlich mit uns nach Hause, Danni,"sprach sie energisch.
"Nein, Klara, du weißt, daß das nicht geht. Ich wohne mit Viki im Hotel, das ist sicherer.
Sicherer für uns alle. Ich kam ja nur, um euch zu sehen. In ein paar Tagen muß ich wieder abreisen,
denn mein Mann kommt diesmal früher zurück,"sprach Danni und ihre Stimme klang sehr gehetzt.
"Mami,"rief unten Martina und hielt sich noch immer an ihr fest.
"Meine kleine Maus, es geht nicht anders."
Zärtlich, aber auch voll von Bedauern, sprach Danni auf sie ein.
"Ich hab' dich genauso lieb wie Viky, aber ich kann dich immer nur besuchen. Schau, mein Schatz,
du bist bei deinem Papa und bei Tante Klara gut aufgehoben, das weiß ich."
Sie sah in deren Augen und konnte herauslesen, was sie selber wußte:'Aber sie braucht DICH, Danni.'
Schließlich ging sie doch mit auf Besuch, ihre beiden Kinder links und rechts an der Hand.
Klara hatte sie davon überzeugt, daß Stefan immer erst spät abends nach Hause kam.
Nach Hause?
Da staunte Danni.
Sie kamen vor ein altes, aber sehr hübsches großes Haus mit kleinem Garten an.
"Ja, das ist Stefans Haus, Daniela,"nickte Klara bestätigend. Sie hatte das Erstaunen der Jüngeren sehr wohl bemerkt.
"Ich bin sehr stolz auf ihn, er ist so fleißig."
Eingerahmt von alten Tannen, Bäume und Fassade Efeu bewachsen, mit hübschen grünen Fensterläden.
Spitzenvorhängen vor den Fenstern.
Zögerlich betrat Danni den Vorraum.
Sie kam sich wie ein Eindringling vor.
Was hatte sie hier nur verloren?
Sie spürte Stefan in jeder Ecke, in jedem Raum, in jedem Winkel.
Ja, sie roch ihn förmlich.
"Was ist dir, Danni?"
Daniela war stehen geblieben.
Klara, die ihr das Haus zeigen wollte, drehte sich zu ihr um.
"Ich glaube, ich schaffe das nicht, Klara. Stefan ist einfach überall."
Martina kam gelaufen.
Sie hatte einen Fotorahmen in der Hand.
'Auch das noch,' erschrak Danni.
"Schau, Mami, das sind der Papa und ich!"
Daniela nahm den silbern verzierten Rahmen in ihre Hände, die merklich bebten.
Schwer fiel ihr Blick auf den geliebten Mann und ihrer beider Tochter.
Er hatte sich nicht wesentlich verändert, er war im Gesicht schmäler geworden.
Vor allem wirkte er aber viel ernster.
Schnell stellte sie das Bild auf die nächste Kommode.
"Komm', nimm' Platz, Daniela, bevor du mir umfällst," sprach Klara fürsorglich und deutete auf einen der Fauteuils.
"Es ist immer noch gemütlich bei euch, so wie es damals...damals...in der Wohnung war...," murmelte die junge Baronin etwas abwesend.
Blickte traurig lächelnd um sich.
"Mami, darf ich mit Viki ein bisserl spielen gehen?"fragte Martina und sah ihre Mama groß an.
"Ja, Marti, gerne sogar, aber bitte paß' auf deinen kleinen Bruder gut auf, ja?"
Martina nickte und nahm den Kleinen bei der Hand.
Der zog sein Patschhändchen jedoch fort und blieb bei seiner Mama.
"Na, komm', Viki, ich zeig' dir unseren Garten...und meine Spielsachen, komm' doch!"
Sie nahm ihr Brüderchen nochmals an der Hand.
"Ja, Viki, geh' mit der Marti, sie möchte mit dir spielen...."
Da fügte sich der Kleine drein und ging mit seiner Schwester aus dem Raum.
Wenig später hörten die beiden Frauen sie schon lachend im Garten spielen.
Klara hatte für Danni und sich Kaffee gemacht und stellte eine Tasse von dem hübschen pastelligen Lilienporzellan vor ihren sich bedankenden Gast.
Nahm selbst gegenüber Platz, schenkte Kaffee ein, rückte Zuckerdose, Milchkanne und Keksteller näher zu Danni heran und meinte dann feststellend:"Du liebst ihm immer noch, Daniela."
Diese blickte ihre Gastgeberin, die ihr die Wahrheit so direkt ins Gesicht sagte, nickend an, nahm einen Schluck des köstlichen Wiener Kaffees, schloß kurz die Augen, lehnte ihren Kopf zurück .
"Ja, Klara, ich glaube, ich werde ihn immer lieben. Aber Stefan...er denkt von mir wohl sehr schlecht, nicht wahr?" "Du hast ihn viel zu sehr geliebt, als daß du ihn so leicht vergessen könntest. Leider hast du recht, er ist schwer enttäuscht von dir, Kind. Er ist sich sicher, daß du deinen Mann nur aus Geldgierigkeit geheiratet hast und weil du einen Titel wolltest. Er hat gesagt...,"Sie zögerte.
Sah Danni lange an.
"Er hat gesagt, daß so ein Mensch wie du nie wirklich lieben kann, weder einen Mann noch ein Kind noch sonst etwas. Daß du nicht besser bist, als deine Eltern, aus demselben Holz geschnitzt.
Bitter hatte er beklagt, daß der Apfel nicht weit vom Stamme fällt. Daß du ihn nur belogen hast und er nicht mehr als ein Intermezzo in deinem Leben war. Entschuldige, Kind....ich wollte dir das niemals so direkt sagen. Es sind SEINE Worte, nicht meine!"
Daniela stöhnte leise auf und legte ihre Hände vor das Gesicht.
"Wie kann er nur so...so zweifeln an mir, Klara? Warum glaubst du, daß ich ihn liebe, er aber nicht?"
Frau Moser erhob sich und ging auf die junge verzweifelte Frau zu.
Sachte nahm sie deren Hände. Sah das verweinte Gesicht, die großen blauen Augen, aus denen die Tränen liefen, sah die echte Verzweiflung in ihrem Blick.
"Kind, Kind,"sprach sie, zog sie hoch, nahm sie tröstend in ihre Arme.
"Ich weiß ja die Wahrheit, er nicht, das darfst du niemals vergessen."
"Ich hab' ihn halt so lieb und es tut so weh." Daniela seufzte, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
"Sei mir nicht böse, daß ich dir hier etwas vorheule, aber es ist so aus mir herausgebrochen."
"Das mußte mal wieder sein, Kind. Böse? Wie könnte ich. Komm', setzen wir uns nebeneinander auf die Couch und du erzählst mir, was so war, in letzter Zeit. Erzähl' mir von deinem Leben.Ja?"
Daniela nickte. Klara stellte ihr etwas Whisky in einem Glas hin und Danni nahm einen Schluck.
Erst zögernd, dann immer hastiger schilderte sie Klara, was sich in letzter Zeit so ereignet hatte.
"Es bleibt weiterhin zwischen uns, nicht wahr?" "Wenn du es wünscht, selbstverständlich, Danni!"
Eben kam Viki ungeschickt ins Zimmer getrippelt und lächelnd sah ihn Danni an.
"Er ist sicher nur euer Schloß gewöhnt."
"Ich glaube aber, er fühlt sich hier viel wohler," meinte die Baronin.
"So ein süßes Kerlchen,"murmelte Klara.
Da kam auch Martina bei der Türe herein und schmiegte sich an ihre Mutter.
"Oh, könntest du doch für immer hierbleiben, Mama. Muß dir was sagen..."
Das kleine Mädchen, das noch immer ihr langen Zöpfe trug, deren Enden zwei rosa Maschen zierten, sah verlegen auf ihre Fußspitzen. "Ja?" "Ich...ich...hab' dich so lieb, Mami."
"Mein kleines großes Mädchen,"stammelte diese voll mütterlicher Zärtlichkeit.
"Wie sehr würde ich mir auch wünschen, bei euch zu bleiben." "Dann bleib' doch, Mami, gell, Tante Klara, du hast auch nichts dagegen?"
Die schüttelte traurig ihren Kopf.
"Marti, ich werde euch jetzt viel öfter besuchen kommen, ich verspreche dir das, ja?"
Zwei große blauen Augen, die aussahen, wie ihre eigenen, sahen Danni treuherzig an.
"Du bist so schön, Mami! Ich...ich möchte auch mal so schön werden wie du!"
Gerührt strich Daniela von Sanders ihrer Tochter über die Haare.
"Der Papa...der Papa hat gesagt, daß du uns vergessen hast, Mami. Wie meint er das denn?"
'Nicht weinen, ich will keine Tränen sehen, kleine Danni,' hörte sie in ihren Gedanken Stefans dunkle Stimme.
"So, sagt er das, der Papa. Weißt du, auch Papas können sich mal irren," antwortete sie leise.
Klara Moser stand auf.
"Ich habe in der Küche noch etwas zu tun, du entschuldigst mich?"
Daniela nickte.
Sie wußte, daß diese nur taktvoll war und der jungen Mutter und ihren Kindern Zeit geben wollte.
Dankbar blickte sie ihr nach, spielte noch lange mit Marti und Viki, beantwortete so manche Frage, tollte herum, als ob sie selber wieder ein Kind wäre.
Zum ersten Mal lachte sie wieder herzlich.
"Meine Kinder," murmelte sie voll Rührung in der Stimme, als sich die Geschwister nicht trennen wollten.
Die Tage, die sie in Wien verbrachte, waren für Danni wunderbar.
Aber es kam auch der Tag, an dem sie wieder zum Schloß zurück mußte.
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Fortsetzung folgt