Mittwoch, 21. Oktober 2009

Nun küßte er sie zum letzten Mal, drückte sie noch einmal fest an sich, gab ihr einen leichten Schubs und lachend zog sie den Schlüssel aus ihrer Häkelumhängetasche, sperrte das Tor auf und lief die Stiegen hoch.
"Lieber, schau her!"rief sie.
Er sah zu ihr hoch und sie nahm Position ein, als sei sie eine griechische Statue.
Sie hob den linken Arm und rief:"Sieh an die nasse Venus! Was denkst du, ist ihr wallendes Haar nicht wunderschön? Ein bißchen ..naja..."trocken" sieht das Ganze schon aus....aber wenn ich dem Herrn ein Glas Wasser anbieten darf? Nein? Dann müssen sie sich mit einer "ausgetrockneten" Venus zufrieden geben!"
So, wie sie da stand.....
Stefan dachte sich: 'Wenn ich sie nicht schon längst lieben würde....jetzt hätte ich mich in dieses wundervolle Wesen, deren Weiblichkeit das klatschnasse Kleid, das an ihrem schönen wohlgeformten Körper klebte, noch betonte, unsterblich verliebt!'
Liebe und Leidenschaft stiegen in ihm hoch und er fuhr sich nervös durch das nasse Haar.
"Danni, lauf', du bist ja schon wie gebadet! Schnell....weil ich gehe jetzt. Du wirst sonst krank, Liebes!"
'Wenn ich nicht gleich gehe,' dachte er und schloß wie geblendet die Augen,'komme ich zu dir hoch und beweise dir meine Liebe körpernah und wärme uns damit.....'
"Spielverdeeeerber! Jaja, ich geh' ja schon,"maulte sie scherzend, drehte sich noch einmal um und schickte ihm eine Kuß, welchen er sofort zurück schickte.
"Meldung angekommen, tschüß mein Liebster! Bis morgen!" rief sie lachend und schüttelte sich wie ein nasser Hund, dann sprang sie die letzten Stufen hoch, winkte und war im Hauseingang verschwunden.
Glücklich lächelnd schüttelte Stefan den Kopf und ging langsam fort.
"Kleiner Kobold...bis morgen...geliebter Kobold, du!"murmelte er, zog seinen nassen Jackenkragen hoch und beeilte sich nun sehr, nach Hause ins Trockene zu kommen.
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Als Danni das Haus betrat, kam ihr ein blaßer Philipp entgegen.
"Die gnädige Frau und der gnädige Herr...."
"Na, was ist denn, Philli?"fragte Danni und schüttelte sich wieder.
"Sie werden ins Wohnzimmer gebeten, dringend, gnädiges Fräulein,"murmelte dieser mit
untertänigen Blick.
"Schau'n's mich an, Philli! Soooo?"
Sie nahm einen nassen Rockzipfel und zog ihn von sich fort.
Der treue Diener schüttelte betreten den Kopf.
"Na, machen's nicht so ein Gesicht! Ich komme gleich - aber umziehen darf
ich mich noch, oooder?"scherzte sie und sah ihn etwas mitleidig an.
Kurz berührte sie Phillips Arm und lief dann singend die Marmortreppen hoch.
"Prinzessin...arme Prinzessin...,"murmelte er, welcher die Stimmung seiner Herrschaft
richtig beurteilte....war er doch schon so lange im Hause Martell angestellt.
'Bin ja fast schon lebendes Inventar,' dachte er sich,'wäre nicht die kleine Daniela und die gute Bezahlung, so wäre ich schon längst nimmer da.....'
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"Da bist du ja endlich, nun komm' schon herein!"erklang die barsche Stimme der Mutter, als Danni in der Türe stand.
Tina Martell erhob sich und verließ mit einem höhnisch-übertriebenen Auflachen den holzgetäfelten Raum.
Sie fand, daß ihre Anwesenheit unnötig war, denn was zu sagen war, das hatte sie mit ihrem Gatten ausführlich besprochen und den Zorn und die Empörung ihres Mannes ausgiebig geschürt.
Dieser trat nun mit finsterem Gesichtsausdruck seiner Tochter entgegen.
"Es wurde auch Zeit! Zeit, die ich nicht habe! Du treibst dich viel zu lange mit diesem Kerl herum! Aber das wird sich ab jetzt gänzlich ändern!"
Verständnislos sah Danni ihn an und wollte sich verwirrt wieder abwenden, da griff der Vater hart zu und packte sie am Arm.
"Hiergeblieben, jetzt gibts kein Davonlaufen und keine Heimlichkeiten mehr!"
"Du tust mir weh...."
"Sei still, du Flittchen, du! Wir kennen dein schamloses Geheimnis und wir wissen, daß du ein Kind mit diesem dahergelaufenen Menschen hast! Ein uneheliches Kind, ein Kind der Liebe! Diese Schande hast du uns angetan und unseren guten Namen damit beschmutzt! Dafür mußt du bezahlen, für all die Lügen, Schamlosigkeiten! Da...und da...." Plötzlich schlug er seine Tochter, was er er noch nie getan hatte.
Und hielt aprupt inne, ließ von ihr ab, so daß Danni zurücktaumelte.
Sie wischte sich mit zitternden Händen das Blut von den Lippen.
"Schlag nur, du .....du...Vaaater!"Tonlos und von Verachtung triefend lag dieses "Vater" im Raum und verklang irgendwo hinter den schweren Samtvorhängen.
"Halt den Mund!"schrie dieser sie an, nahm ein Taschentuch aus seiner Jackentasche und fuhr sich damit über das schweißnasse Gesicht, um sich dann ein Glas mit Whisky zu füllen und es in einem Zug leer zu trinken.
Von dem Lärm angelockt war Frau Martell in das Herrenzimmer getreten.
Lässig lehnte sie im Türrahmen und lächelte spöttisch.
"Nun wirds spannend," meinte sie süffisant.
Danni schloß die Augen, als könnte sie damit alles, was war, ungeschehen machen.
Ihre Arme hatte sie schützend vor die Brust gelegt, als würde sie sich selbst umarmen.
Und ganz leicht schwankte sie hin und her in ihrem Schock, als schaukle sie sich zur Beruhigung hin und her.
Lautlos floßen Tränen aus ihren Augen, welche sie nun öffnete, tief einatmete und wiederum tonlos, aber leise sprach:"Ich haße euch, ich haße euch...euch...."
"Was siehst du mich denn so an?"fragte Tina wie ahnungslos und schritt an ihrem Mann, den sie kurz anblickte, vorbei, zu dem großen Eichenschreibtisch, nahm sich aus der gold-ziselierten Tabakdose eine Zigarette und hielt diese auffordernd zwischen zwei Fingern ihrem Mann entgegen, der sie mit leicht zitternden Hände anzündete.
"Ist es ein Mädchen oder ein Bub?" Ihre großen grünen Augen sahen in Richtung ihrer Tochter, die nun monoton den Kopf hin und her schüttelte.
"Von mir werdet ihr das nicht erfahren," flüsterte Daniela mit starrem Blick.
Mit ein paar schnellen Schritten lief Tina Martell zu ihr hin und rüttelte sie.
"Und du wirst es mir jetzt sagen, aber sofort, verstanden?! Oder ich lasse den Balg in ein Heim bringen! Hast du verstanden, du sittenloses Ding?"
Sie ließ von Danni ab, um sich  neben ihrem Mann zu stellen.
Da stammelte ihre Tochter mit letzter Kraft, der Not gehorchend:"Es ist ein Mädchen....es ist mein Mädchen...."
"So ist's schon besser...wäre ja gelacht, wenn wir dich nicht zur Räson bringen würden!"rief die Mutter triumphierend und hob eine Hand, als ob sie ihren Mann nun wieder an die Reihe ließ, die Tochter anzuklagen.
"Daniela, du wirst Eugen von Sanders schöne Augen machen und du wirst ihn dazu bringen, daß er dich heiratet! Das wird nicht allzu schwer sein, weil er mir ohnedies seit der Party vom vorigen Jahr in den Ohren liegt, um immer wieder nach dir zu fragen!"
Rudolf Martell wollte eine Hand unter Danielas Kinn legen, doch sie stieß diese weg und stammelte:"Rühr mich nicht an! Nie wieder rühre mich an...."
Tina ließ sich mit einem Auflachen in einen der olivgrün bespannten Fauteuils fallen und sprach dann hart und einprägend:" Wenn du diesen Nichtsnutz wirklich liebst......dann heiratetst du wie befohlen den Baron Sanders! Dein Vater hat großen Einfluß auf bestimmte Herren in den Chefetagen, die meisten sind gute Freunde von ihm, viele schulden ihm einen Gefallen....du verstehst?!" Tina Martell richtete sich kerzengerade auf und fuhr fort:"Papa würde diesen Richter anzeigen wegen Verführung und täte noch einiges dazu erzählen, was ja nicht unbedingt alles stimmen muß....naja, aber es würde ausreichen, daß dein Stefan keinen guten Job mehr bekommt....nirgends! Sein Ruf wäre für immer beschädigt! So wie auch unserer, wenn etwas von dieser, eurer, unleidlichen Geschichte bekannt werden würde."
Sie erhob sich, warf ihre rote Mähne zurück, zupfte an ihrem Seidenkleid und fügte hinzu:"Ihr habt uns die längste Zeit zum Narren gehalten! Du wirst Stefan Richter nicht mehr wiedersehen!"
Rudolf Martell, welcher abgewandt von seiner Tochter an seinem Schreibtisch gestanden hatte, wandte sich um und ging ein paar Schritte auf diese zu.
Daniela stand bleich und starr vor Schock und konnte sich momentan nicht bewegen.
"Nächste Woche wird Baron Sanders einen Geburtstagsball geben, Kind, da wirst du dann genug Gelegenheit haben, unseren berechtigten Wunsch in die Tat umzusetzen!"
Scharf und warnend blickte er die blasse zitternde Gestalt an und meinte:" Jedweder Kontakt mit Richter ist ab nun zu unterlassen. Dein Versprechen will ich haben, jetzt und sofort. Gib mir deine Hand und sage: Ich verspreche es!"
Fest presste Daniela die Lippen zusammen, die Wunde an den Lippen fing wieder leicht zu bluten an.
"Los...wird's bald!"
Sie berührte die Hand von Rudolf Martell, zuckte sofort wieder rasch zurück.
"Ich...ich...ich verspreche es!"schrie sie ihn urplötzlich an, drehte sich um und lief aufschluchzend aus dem Salon, dessen Türe mit lautem Knall ins Schloß fiel.
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Fortsetzung folgt

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