Mittwoch, 16. September 2009

"Gut, daß sie kommen, Herr Richter!"
Frau Schmid, die Nachbarin der Richters, stand aufgeregt vor der Wohnungstüre.
"Was haben sie denn...fehlt ihnen etwas, kann ich was für sie...sie zittern ja am ganzen Körper!"
"Herr Richter..."
"Na, was ist..wo fehlt's denn?!"fragte er mitleidig.
"Herr Richter..ihre..ihre Mutter - sie ist tot...tot..,"die Stimme erstarb der Nachbarin und sie wandte sich aufschluchzend ab.
"Mum..Mum..nein, nein, das glaube ich nicht, das darf nicht wahr sein, nein, das....,"stammelte er im ersten Schock und stürzte in das Schlafzimmer seiner Mutter.
Ein älterer Mann erhob sich vom Bett der Toten und murmelte:"Mein aufrichtiges Beileid."
Er war Arzt und hatte bei der Geburt Stefans mitgeholfen und war ein guter Freund der Richters.
Erschüttert drückter er die Hand Stefans.
"Doktor - ist es wirklich wahr? Meine Mum - sie ist...ist tot?!!"
Dieser nickte traurig und berichtete:"Sie ist einkaufen gewesen, so hat mir die Frau Schmid erzählt, ist nach Hause gekommen und plötzlich ist ihr schlecht geworden. Sie hat darauf die Frau Schmid herübergebeten und sich sogleich ins Bett gelegt. Die Nachbarin war bei ihr geblieben und hat mich sogleich verständigt. Inzwischen hat deine Mutter einen Brief aufgesetzt - hier, mein Junge. Sie hat gesagt, du mußt ihn lesen, da ihr...da ihr ja nicht mehr miteinander reden könnt'. Dann ist sie entschlafen....an Herzversagen. Junge, sie hat einen schönen Tod gehabt."
Stefan sah auf seine Mutter. Sie hatte einen friedlichen Gesichtsausdruck, doch sein Schmerz war unsagbar.
Noch konnte er nicht ganz die Tragweite begreifen.
Er nahm den Brief entgegen und starrte darauf. Schließlich fragte er:"War der Herr Pfarrer schon hier?"
"Ja, er ist vor kurzem gegangen." "Wann ist das passiert, Herr Doktor?"
"Am späten Nachmittag. Stefan, so leid es mir tut, ich muß jetzt zu einem Patienten. Ich werde später noch
einmal vorbei kommen, wenn du willst. Es macht dir doch nichts aus?"
"Nein, Herr Doktor, gehen sie nur ruhig. danke - danke für alles, Doktor!"verabschiedete er den freundlichen Arzt, welcher eilig die Wohnung verließ.
Da kniete Stefan am Totenbett seiner Mutter nieder.
Ein leises Schluchzen entrang sich seiner Kehle und Tränen traten in seine Augen.
Mit zitternden Händen öffnete er den Brief, in welchem folgende Zeilen standen:
'Mein lieber gute Junge, mein Stefan!
Es ist Gottes Wille, daß ich nun von Dir und auch von der kleinen Danni scheiden muß.
Ich kann mich nicht beklagen; ich habe es doch so schön gehabt auf dieser Welt, war es auch nicht immer leicht.
Nun werde ich zu Papa gehen, zu meinem geliebten Kurt und werde von woanders über Dich und
Dein Leben wachen.
Ich bin stets bei Dir, mein Junge.
Du warst mein Ein und Alles und auch Daniela ist mir ans Herz gewachsen.
Mein sehnlichster Wunsch wäre, Euch vereint für alle Zeit mit dem Segen Gottes zu sehen.
Aber es muß wohl so sein, daß ich das nicht mehr erleben darf.
Jetzt, wo ich diesen Brief an Dich schreibe, weilst Du bei Deinem Mädchen - und Du weilst richtig.
Nein, nein, Du brauchst nicht aufzubegehren. Dein Platz ist bei Danni und sie ist das besten und liebste und schönste Mädchen, daß Du Dir wünschen kannst. Und sie liebt Dich so wie Du sie. Geh' zu ihr und lass'
ihr den Brief lesen, Stefan. Sie ist auch mein Kind und ich wäre ihr sogerne die Mutter gewesen, die sie ihr junges Leben lang nicht erleben durfte.
Mein Junge, ich spüre, wie es langsam zu Ende geht mit mir.
Ich wünsche Dir viel Glück auf Erden und daß Du die schweren Stunden auch mit starkem Herzen überwindest.
Vor allem mit Danni, die ich ebenso lieb hab' wie Dich, mein Stefan.
Viel kann ich Dir nicht hinterlassen, aber alles soll Dir und Danni gehören.
Mein letzter Wunsch sei, Euch beide vereint glücklich zu wissen.
Tausend Küße und Grüße
Deine Dich in alle Ewigkeit liebende Mum!'
Die letzten Worte waren schon fast unleserlich.
Erschüttert rannen Stefan Tränen über die Wangen.
"Mum, meine geliebte Mum - und ich war nicht bei dir....nicht bei dir, ich hab' mich vergnügt,
irgendwo, mit Danni. Meine Danni, sie ist alles, was ich nun habe. Du hast recht, liebe Mum, ganz recht..."
Er küßte ihre kalten gefalteten Hände und betete noch lange, hielt noch lange stumme Zwiesprache mit der geliebten toten Mutter, bis der Arzt wiederkam und die nötigen Formalitäten erledigte.
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"Aber...aber...das geht doch nicht, junger Mann! Ich habe striktes Verbot und..."
"Was ist, Magda?"
Ein alter Mann kam herbei gehumpelt und blickte Stefan mißtrauisch an.
Die hagere Frau namens Magda meinte, nun ein wenig schmunzelnd: Dieser Mann hier will unbedingt das gnädige Fräulein sprechen." "Na, dann ruf' doch das Fräulein Danni!" sprach ihr Gatte gutmütig lachend und klopfte Stefan väterlich auf die Schulter.
"Johannes, weißt du etwa nichts mehr von dem Verbot, das die Herrschaften..."
"Die Herrschaften sind weit. Sie finden es nicht einmal der Mühe wert, ihrer Tochter einen Besuch abzustatten.
Ich persönlich bin ja froh darüber, das steht aber nicht zur Debatte." Er richtete seinen langen Oberkörper gerade und erinnerte Stefan im Aussehen an den Schauspieler Beppo Brehm.
"Der junge Mann - schau ihn dir an, Magda, ist er nicht fesch? Bisserl wie unser Bertl, gell?"
"Jajaja...das könnt' schon sein. Du hast recht, Johannes, lassen wir ihn herein. Kommen's, junger Mann, wer auch immer sie sein mögen! Man sieht ihnen auf hunderten Kilometern Entfernung an, wie verliebt sie in das Mädel sind. Schauen's-sehen's dort den Weg, ja? Na, den laufen's  entlang, den geht das Fräu'n Danni immer um diese Zeit!" "Danke, Frau Magda!" "Und ich?"brummte der alte Mann schmunzelnd.
Stefan, welcher schon an der Türe war, drehte sich um und rief lächelnd:"Natürlich, auch ihnen dankeschön, Herr Johannes!"
Dann lief er eilig den Weg entlang, welcher durch eine Allee schönster alter Bäume führte in den nahen Wald.
Dort entdeckte er Danni, welche wieder auf dem Plätzchen saß, auf dem sie unlängst weilten.
Sie trug eine Jeans und eine Bluse im Gipsylook und sah wunderschön aus.
Das lange dunkle Haar gehalten nur von einem blauen Haarreif.
Ihre Augen leuchteten auf und sie kniete sich hin. "Stefan, Stefan, wie schön, daß du kommst!"rief sie glücklich und streckte ihm die Arme entgegen.
Er setzte sich zu ihr und küßte sie lange.
"Danni,"murmelte er, nachdem sie, aneinander gekuschelt, einige Zeit schweigend nebeneinander gesessen hatten. "Ja?" "Mum - sie ist tot, Danni!"
"Nein!!!" Sie fuhr entsetzt zurück. "Nein, Steff, das kann - mit sowas macht man keine Scherze, Stefan."
Sie konnte es nicht fassen. "Ich wollte, es wäre einer,"flüsterte Stefan tieftraurig. Da rutschte sie wieder zu ihm und strich ihm über den Kopf. Tränen liefen ihr über die Wangen.
"Die gute Mum, die mir auch schon soviel bedeutete, als wäre sie meine Mum - sie soll tot sein? Mein armer Stefan. Schau, ich bin bei dir und ich werde dich nicht allein lassen in deinem großen Kummer. Hab' ich doch auch soviel wie keine Eltern, Liebster!" Sie schlang die Arme um seinen Hals und küßte ihn zärtlich.
"Denk' immer daran, daß ich dich liebe, unsagbar liebe, Stefan!"
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Fortsetzung folgt

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